Landgericht Ulm

Die Wahl des Ausbildungsstandorts kann wegweisend für den Verlauf des Referendariats sein. Eines steht hierbei fest: Ulm ist immer für eine Überraschung gut!

Das Referendariat in Ulm

Die Wahl des Ausbildungsstandorts kann wegweisend für den Verlauf des Referendariats sein. Daher will es gut überlegt sein, für welches LG man sich entscheidet.

Das Grundsätzliche

Im Falle des Landgerichts Ulm fällt die Entscheidung auf einen Gerichtsbezirk, der weder zu klein noch zu groß ist. Auch die thematische Abwechslung ist hier garantiert. Es kann sein, dass der Sitzungstag mit einem hohen Streitwert zwischen einer Bank und einem hochverschuldeten Unternehmen aus Ulm beginnt. Genauso besteht aber die Möglichkeit, dass im Anschluss zwischen zwei Landwirten aus dem Alb-Donau-Kreis die Fetzen fliegen, weil der eine seine Kuhherde auf der Weide des anderen hat grasen lassen. Eines steht hierbei fest: Ulm ist immer für eine Überraschung gut!

Die Ausbildung

Die zentrale Ausbildungsstelle in Ulm befindet sich im Landgerichtsgebäude in der Olgastraße. Von hier aus wird die gesamte Ausbildung der Referendare koordiniert, was momentan durch die Vorsitzende Richterin am LG Thonhofer mit Unterstützung des von Frau Nusser geführten Sekretariats erfolgt.

Hier sitzen aber nicht nur die Verantwortlichen für die Referendare. Es finden sich hier auch ein großer Unterrichtsraum und bislang noch die Lernbibliothek im Keller des Gebäudes. Letztere soll jedoch noch im Jahr 2022 in das Zeughaus umziehen, wo sich den Referendaren einerseits mehr Platz, andererseits aber auch ein schöneres Ambiente bieten soll. Das Zeughaus ist seinerseits ein Bestandteil des Amtsgerichts, welches etwa zehn Gehminuten vom Landgericht entfernt ist. Hier befinden sich ein weiterer Unterrichtsraum sowie der historische Löwensaal, in welchem die schriftlichen Prüfungen des Staatsexamens abgehalten werden.

Eine Anmerkung hierzu: durch die Corona-Pandemie ist auch in Ulm einiges durcheinandergeraten. So fand der Unterricht aus Abstandsgründen im Zeughaus und nicht im Landgericht statt. Ebenfalls war die Nutzung der Lernbibliothek stark eingeschränkt, da sie mit insgesamt 14 Sitzplätzen ohnehin recht klein ausfällt. Die Anzahl der Zugangsberechtigten war während der Pandemie von April 2020 bis heute auf neun Personen begrenzt. Hierdurch offenbart sich allerdings auch ein Nachteil gegenüber anderen Ausbildungsstandorten, die über ein separates Referendarshaus bzw. größere Bibliotheken mit einer juristischen Fachabteilung verfügen.

Die Stationen

Flankiert von Einführungslehrgängen und Unterrichtseinheiten, die regelmäßig eine Klausurbesprechung zum Inhalt haben, starten Referendare in Ulm in die einzelnen Stationen.

Hierbei sei noch ein Aspekt erwähnt, der einigen älteren Referendaren im Laufe der Stationen aufgefallen ist: zwar werden im Referendariat die Karten in gewisser Weise neu gemischt, allerdings entsteht schnell der Eindruck, dass bekannt ist, wer mit einem guten Ergebnis aus dem 1. Staatsexamen angetreten ist. Das soll nicht heißen, dass Referendare ohne Prädikat bzw. im ausreichenden Bereich schlecht behandelt werden. Im Gegenteil, die Stimmung ist allgemein gut, so dass bei einer vernünftigen Herangehensweise kein krasses Stigma herrscht. Man sollte sich als Referendar aber eine Sache klar vor Augen führen: es handelt sich beim Referendariat um eine öffentlich-rechtliche Ausbildung, mit welcher die Justiz natürlich vorrangig den eigenen Nachwuchs und eben nicht jenen der Großkanzleien und Unternehmen heranziehen möchte. Insofern ist klar, dass diejenigen, die bereits eine entsprechende Note aus dem 1. Staatsexamen mitbringen, eine unter Umständen engere Betreuung erfahren, mit welcher sie frühzeitig für den Dienst in der Justiz begeistert werden sollen. In Anbetracht stetig sinkender Personalzahlen ist dieses Vorgehen der Justiz allerdings auch nachvollziehbar. Wer sich hiervon nicht einschüchtern lässt, hat selbstredend gute Karten, alles aus den Stationen herauszuholen, was er für den eigenen Werdegang braucht.

Genug von den Personalleiden der Justiz und weiter mit den Stationen: den Anfang macht die Zivilstation, die sich für Referendare zwischen den Unterrichtseinheiten und den Gerichtssälen des Amts- bzw. Landgerichts abspielt. Den Referendaren wird im Vorfeld noch die Möglichkeit eingeräumt, eine Präferenz des bevorzugten Gerichts und ggfs. auch Richters abzugeben. Tipp: die Zuteilung zu einem Richter am Landgericht, der der Berufungskammer zugeteilt ist, schlägt mehrere Fliegen mit einer Klappe. Zum einen lernt man erstinstanzliche Fälle sowohl des Amts- als auch des Landgerichts kennen und zum anderen kommt man so bereits früh mit dem äußerst examensrelevanten Thema der Berufung in Berührung. Es ist im Übrigen den gängigen Erfahrungen nach möglich, selbst eine Verhandlung zu übernehmen und so einen Prozess aus der Sicht des Richters zu erleben.

Im Anschluss hieran geht es in die Strafstation, welche sich für die meisten Referendare bei der Staatsanwaltschaft abspielen dürfte. Diese hat ihren Sitz direkt gegenüber vom Landgericht und verfügt nochmals über eine eigene Bibliothek. Deren Nutzung kann in Absprache mit dem ausbildenden Staatsanwalt möglich sein, wobei diese Bibliothek nicht mehr Inhalte bietet, als es die Lernbibliothek im Landgericht. Während dieser Station werden Referendare im Wesentlichen den Ablauf von Strafprozessen kennenlernen und dabei auch im Rahmen des Sitzungsdienstes kleinere Fälle für die Staatsanwaltschaft übernehmen.

An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass sowohl der Sitzungsdienst als auch die Verhandlungsleitung im Rahmen der Zivilstation wahre Privilegien sind. Durch diese außerordentlichen Möglichkeiten kann sich jeder Referendar klar vor Augen führen, ob der Justizdienst für ihn bzw. sie eine Berufsmöglichkeit ist. Und selbst diejenigen, die sich am Ende gegen den Justizdienst entscheiden, zehren für gewöhnlich noch sehr lange von diesen Erfahrungen.

In der ersten der beiden Anwaltsstationen wird man bald feststellen, dass es Ulm selbst an einem mangelt: Großkanzleien. Dafür macht sich die exzellente Verkehrslage der Stadt bemerkbar, welche ziemlich mittig zwischen Stuttgart und München belegen ist. Wer sich allerdings für kleinere oder mittelständische Kanzleien begeistern kann, wird bei den durchaus namhaften Kanzleien der Stadt wie Mössner & Partner sowie Urwantschky & Partner fündig. Je nach Absprache ist es auch hier möglich, bei einer echten Verhandlung in der Rolle eines Rechtsanwalts zu agieren und einen Mandanten zu vertreten.

Im Rahmen der Verwaltungsstation bieten sich sowohl in Ulm als Stadtkreis wie auch im Landkreis Alb-Donau verschiedene Stellen an. Wer sich jedoch eher auf das Examen einpauken möchte, welches zu diesem Zeitpunkt ungefähr ein halbes Jahr hin ist, ist mit dem Besuch der Verwaltungshochschule in Speyer gut beraten.

Nach Ablauf der sog. Tauchstation wie auch dem Überstehen der schriftlichen Prüfungen fängt dann eine der spannendsten Stationen für Referendare an: die Wahlstation. In dieser können sich bereits die Weichen für das weitere Berufsleben stellen, welches im Anschluss an die mündliche Prüfung lauert. Was Ulm und seine nähere Umgebung hierbei besonders auszeichnet ist die hohe Dichte an großen, spezialisierten Unternehmen, die einen Einblick in die Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts aber auch in die Funktionsweise einer unternehmerischen Rechtsabteilung gewährt. Empfehlenswerte Adressen sind hierbei die Müller Handels GmbH & Co. KG bei Ulm sowie die PERI SE in Weißenhorn.

Die Eigenheiten

Was außer der eingangs erwähnten Abwechslung hat Ulm denn noch zu bieten? Altgediente Referendare werden sich bei dieser Frage an einen ganz besonderen Termin im Kalender erinnern: die Gerichtsfasnet. Nicht Fasching, nicht Karneval, sondern Fasnet. Und das im Gebäude des Landgerichts, mit allen Bediensteten inklusive Richtern. Diese Veranstaltung ist wahrscheinlich nicht nur im gesamten Bundesgebiet die einzige ihrer Art, sondern demonstriert auch eine Ausgelassenheit und Feierfreude, die man Menschen in schwarzen Roben sonst nicht zutrauen würde.

Ausgelassen wird es ebenfalls beim jährlich stattfindenden Trinktest, welcher im Zeughaus stattfindet. Bei dieser Veranstaltung werden die im jeweiligen Jahr dazugekommenen Referendare des April- und Oktobertermins von drei Dozenten über die rechtliche Relevanz des Alkoholkonsums unterrichtet. Einer dieser drei Dozenten, ein Angehöriger der DEKRA, bringt eigens zu diesem Termin einen Fahrsimulator mit, was den Ulmer Trinkversuch auch in besonderer Weise bereichert.

Ebenfalls sei der Justiz-Kick erwähnt, in dessen Rahmen sich Referendare zusammen mit sämtlichen Angehörigen der Justiz austoben und trainieren können. Ein lohnendes Ziel für die vielen Schweißperlen auf dem Fußballplatz ist dabei nicht nur die Freude an der Lust, das Runde ins Eckige zu treten, sondern auch das Stemmen des Pokals, um welchen die Juristen einmal im Jahr gegen die Vertreter der Presse antreten.

Die Infrastruktur

Nachdem so vieles zur Ausbildung in Ulm zu lesen war, soll es nur etwas sachlicher zu den Fragen rund um die Themen Wohnen, ÖPNV und dergleichen gehen.

Zunächst einmal gilt für Ulm das gleiche, wie für jede größere Stadt: je zentraler, desto teurer. Eine 1-Zimmerwohnung in der Nähe des Landgerichts, bspw. in der Rothstraße oder in unmittelbarer Nähe zum Karlspark schlägt mit 600 bis 700 € warm zu buche. Dafür entfallen Kosten für Sprit und den ÖPNV, auf den man weniger angewiesen ist. Wen es etwas weiter außerhalb zieht. bspw. nach Neu-Ulm, kann zwar mit geringeren Mieten rechnen, sollte jedoch Kosten für den ÖPNV einkalkulieren. Es sei darauf hingewiesen, dass Ulm über gut ausgebaute Radwege verfügt und man daher auch so gut von einem Punkt zum nächsten kommen kann.

Alternativ kann sich eine WG als Wohnform anbieten. Als aufstrebende Studentenstadt finden sich hiervon zahlreiche, v.a. in der Oststadt – in der rein zufällig auch das Landgericht beheimatet ist.

In Ulm, um Ulm und um Ulm herum

Den meisten Leuten dürfte Ulm wegen des Münsters bekannt sein. Wichtig: es ist ein Münster, kein Dom! Auf das Image als Münsterstadt sollte Ulm allerdings nicht reduziert werden. Es gibt viele weitere Sehenswürdigkeiten zu sehen, etwa die alten Festungsanlagen inklusive der historischen Stadtmauer, das ebenfalls historische Rathaus sowie die Goldochsenbrauerei. Man kann schnell erkennen, dass Ulm bereits in früheren Jahrhunderten ein wirtschaftliches Zentrum an der Donau war und entsprechend prosperierte.

Doch auch das Umland hat seine Reize: neben dem weltbekannten Blautopf in Blaubeuren, lohnt sich auch der Besuch im Günzburger Legoland. Ebenfalls sind die zahlreichen Freizeitaktivitäten auf der Donau nicht zu unterschätzen, wie etwa eine Fahrt auf einer Ulmer Schachtel oder Zille.

Letztlich locken auch die schwäbische Alb wie auch das Allgäu mit zahlreichen Wanderwegen und weiteren Freizeitangeboten. Apropos Allgäu: hier macht sich die geographische Lage von Ulm äußerst positiv bemerkbar. So wie man über die A7 bequem ins Allgäu fahren kann, fällt auch der Sprung nach Würzburg (oder gar weiter nördlich) nicht schwer. Durch die Lage an der A8 kann man sich auch Ausfahrten nach Augsburg oder München in die eine Richtung wie auch Stuttgart und Karlsruhe in die andere Richtung gönnen.

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